Dass Bienen zwar nur winzig kleine Gehirne haben, aber trotzdem ziemlich schlaue Viecher sind, dürfte sich längst herumgesprochen haben. Erscheint schon die Hirnleistung einer einzelnen Biene erstaunlich, so ruft die kollektive „Schwarmintelligenz“ eines Bienenvolks, die Befähigung zu planvoll koordiniertem Vorgehen, besondere Bewunderung hervor. Wer einmal beobachten konnte, wie Bienen ihre Waben bauen oder wie sie in der Schwarmzeit eine mögliche neue Behausung auf Tauglichkeit prüfen, wird nicht mehr zweifeln: Bienen sind nicht nur intelligent, sondern auch bestens organisiert. Und sie sind nicht nur individuell, sondern auch als Kollektiv jederzeit in der Lage, sich auf besondere Bedingungen, auf eine veränderte Lage oder eine neue Herausforderung einzustellen.
In einer wichtigen Disziplin spielen Honigbienen intelligenzmäßig offenbar sogar in derselben Liga wie Schimpansen, Seeotter, bestimmte Vogelarten oder Delfine: Sie gebrauchen Werkzeuge. Das konnte ich vor einigen Jahren bei einem meiner Bienenvölker selbst beobachten. Dieses Volk lebte in einem altertümlichen Rutenstülper, und es hatte mit Kalkbrut zu kämpfen. Regelmäßig war das Bodenbrett übersät mit abgestorbenen, aus den Waben entfernten oder herabgefallenen Bienenlarven, den sogenannten Kalkbrutmumien. Nun stand die Behandlung gegen die Varroa-Milbe an. Damals benutzte ich bei meinen Korbvölkern zur Varroa-Bekämpfung ein Thymolprodukt, eine Art Gel in einer flachen Plastikschale, die geöffnet auf das Bodenbrett gestellt wurde. Dabei diente der zurückgezogene Aluminiumdeckel als Aufstiegshilfe. So konnten die Bienen das Gel, dessen Geruch ihnen unangenehm war, austragen und auf diese Weise letztlich den Wirkstoff des Präparats im Stock verteilen.
Das war die Theorie. Doch mein intelligentes Bienenvolk ging anders vor, um den unangenehmen Geruch abzustellen. Bei der nächsten Kontrolle fand ich das Bodenbrett des Rutenstülpers erstmals vollständig sauber vor. Das lag allerdings nicht etwa daran, dass das Volk die Kalkbrut inzwischen überwunden hätte. Kalkbrutmumien gab es nach wie vor reichlich: Sie lagen nun allesamt auf der Schale. Meine intelligenten Bienen hatten nicht das unangenehme Gel ausgetragen, sondern alle verfügbaren Kalkbrutmumien dort hinaufgeschafft und so die Quelle des üblen Geruchs vollständig abgedeckt.
Der Vorgang wiederholte sich dann noch einmal, nachdem ich die Schale gegen eine neue ausgetauscht hatte. Auch diesmal wurde der um seine Bienenvölker bangende Imker mit der Mumienmethode überlistet. Die Varroa-Behandlung war somit gescheitert. Den Bienen ist das dann leider nicht gut bekommen. Intelligenz ist eben durchaus nicht immer vorteilhaft.